Fernweh nach Erinnerungen- Oder wie heißt dieses Gefühl? -


Fernweh, was ist das eigentlich? Warum überkommt es mich gerade jetzt? Oder ist es doch etwas ganz Anderes, was mich gerade umtreibt?

In den letzten Wochen drifte ich immer wieder ab in meinen Gedanken: Erinnerungen tauchen auf, unerwartet und heftig, dass sie fast schmerzen, obwohl sie mich in Momente tragen, die ich in meinem Herzen trage. Dann sitze ich wieder mit meinen Freunden irgendwo in Rom auf einer versteckten Dachterrasse, hinter uns das leuchtende Kolosseum; ich spüre die Sandkörner unter meinen Füßen, während ich an Korfus Küste spaziere, den Duft der Oliven in der Nase; sitze im Gras unter dem mitternächtlichen Eiffelturm, sehe die Lichter über mir, um mich herum Menschen, die sich in den Armen halten, lachen, tanzen, eine Flasche Wein teilen.

All das sind Momente meiner Reisen, die tief in mir sitzen, sich dort aber den Platz mit so vielen anderen Erinnerungen teilen müssen, die ich im Laufe eines Tages, einer Woche, eines Monats zurück im Alltag mache. Sicher: Magische Augenblicke halten wir anders fest als das normale Leben. Aber ich spüre, dass es einen Unterschied macht, wie ich jetzt erinnere. Jetzt, wo das Reisen, wie ich es liebe, gerade nicht möglich ist.

Die Bedeutung des Reisens

Wo ich Reiseplänen hinterher trauere, um eine Erinnerung weine, die ich noch gar nicht machen konnte… ist es nicht erstaunlich, wie viel uns das Reisen bedeuten kann und wie sehr wir es als die ultimative Freiheit wahrnehmen, wenn wir sie nicht mehr haben?

Es stimmt: Erst wenn wir etwas verlieren, lernen wir den wahren Wert der Sache schätzen.

Fernweh mag man das nennen, was ich empfinde. Die Sehnsucht nach Weite, nach dem Fernen, Unbekannten. Sehr poetisch, ist das Fernweh doch auch verwandt mit der Wanderlust: Aufbrechen, weg, unterwegs sein, neue Wolken über den Himmel ziehen sehen.

Aber eigentlich fühle ich etwas anderes: Verlust.

Reisen, wie ich es kenne und liebe, wird nie wieder so sein wie zuvor. Vielleicht hat das etwas Gutes, sagen viele jetzt, schließlich ist nur der Wandel konstant — und irgendwann hätte sich doch sowieso etwas geändert. Mag sein.

Vielleicht rückt die Welt auch näher zusammen, so viele digitale und virtuelle Möglichkeiten, Initiativen, Ideen, so viel Neues wird probiert — auch hier auf diesem Blog, der eigentlich einmal nur dem Reisen gewidmet war.

Vielleicht ist es aber auch so: Wenn wir das Reisen wieder aufnehmen, uns wieder auf den Weg machen, wie werden die Erinnerungen sein, die ich dann mache?

Ich werde sie machen müssen, diese neuen Erinnerungen, um eine Antwort auf meine Frage zu finden. Doch in meinem Herzen spüre ich, dass ich einen Teil meiner Reiseliebe verloren habe, der nichts mit dem Reisen oder der Lust zum Losfahren an sich zu tun hat.

Es ist viel mehr wie der Verlust eines Teils einer Freundschaft, eines Zufluchtsorts, weil auch jemand anders ihn entdeckt hat, der Verlust einer Form von Freiheit, weil sie beschränkt geworden ist. Ich glaube: Meine alten Erinnerungen an meine Reiseschätze tauchen jetzt so stark in mir auf, weil ich mich danach sehne, sie zu wiederholen und nie wieder loslassen zu müssen. Ich will zurück in diesen Augenblick, will wieder in der Sonne im Orangengarten auf dem Aventin liegen, den Cellisten hinter mir hören, mich dem Nachmittag mit einem Bauch voll Eiscreme hingeben und in diesem Moment noch viel mehr spüren: Nur dieses eine Mal wirst du haben. Das hier wird nicht wiederkommen.

Ja, vielleicht widerspreche ich mir selbst, weil ich doch die Achtsamkeit vor allem auf Reisen hoch halte – und ich jetzt zugebe, nicht achtsam genug gewesen zu sein. Noch achtsamer…und den schönen Tagtraum gar nicht mehr loslassen? Nie wieder aufstehen von der Wiese, bis mich jemand heraustragen muss aus meinem festgehaltenen Moment?

Nein, das ist es nicht. Wenn wir anfangen, krampfhaft festzuhalten, tun wir uns damit selbst nur weh und genießen auch wieder nicht.

Es könnte eine neue Art der Achtsamkeit werden, mit der ich mich auf den Weg mache, wenn ich meinem Fernweh wieder nachgeben darf und kann. Wenn ich den Verlust überwunden habe oder damit anfange. Erst dann werde ich mir selbst darüber klar werden, was mit mir passiert und was aus meiner Reiseseele geworden ist.

Und bis dahin stimmen mich Worte von J.R.R. Tolkien zuversichtlich, der seinem Bilbo Beutlin in den Mund geschrieben hat:

„Es ist eine gefährliche Sache, Frodo, aus deiner Tür hinaus zu gehen. Du betrittst die Straße und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.“

Auf bald, Welt da draußen. Wir werden uns wiedersehen — und ich werde erleben, wohin meine Füße mich dann tragen.

Fühlst du dich gerade ähnlich?

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Intentionen zu mehr Achtsamkeit und persönliche Gedanken…

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