Zauberhaftes Edinburgh- Auf den Spuren von Harry Potter -


Der weiße Zauberstab ragt über die Köpfe der Menschenmassen hinaus — ein klares Symbol für die, die wissen, was sie suchen. Lächelnd behalte ich den Stab im Blick und zwänge mich an Schultern und Rucksäcken vorbei, bis ich vor ihr stehe. Ihr Name ist Sarah, rote Locken, ein blauer Wollmantel, ausdrucksvolle Augen, ein wissendes Grinsen im Gesicht. „Let the magic begin“, sagt sie.

Das luxuriöse Balmoral Hotel im Herzen von Edinburgh ist Kulisse unserer kleinen Zusammenkunft an diesem Freitagmorgen. Wir sind elf Frauen und zwei Männer, kommen aus Oregon, aus Orlando, Paris, Glasgow, Hamburg und Kiel, reisen allein, mit Freunden oder mit Partnern. Was uns vereint?

„Willkommen zu eurer magischen Reise durch Joanne K.Rowling’s Edinburgh“, begrüßt uns Schottin Sarah mit ihrem markanten Akzent, hier und da verschluckt sie ganze Vokale, setzt Betonungen, wo ich noch nie welche gehört habe. „Seid ihr bereit, auf den Spuren von Harry Potter zu wandeln?“

Und wie bereit wir sind. 

The Balmoral: Zum Anfang das Ende 

Es ist kein Zufall, dass Sarah uns mit ihrem Zauberstab am Balmoral Hotel erwartet: Wir starten dort, wo alles sein Ende fand. 

Im Fünf-Sterne-Hotel hat Joanne K.Rowling, die Anfang der 1990er mit ihrer ersten Tochter nach Edinburgh zog, einen Großteil des letzten Bandes der Harry Potter Reihe (Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, 2007) beendet. 

„Zimmer 552 wurde nach ihr The J.K.Rowling Suite benannt“, erklärt Sarah, während wir, andächtig wie die Kirchgänger, zum Fenster der Suite hinaufschauen. Die Nacht kostet 1000 britische Pfund, was etwa 1.134 Euro entspricht. Ein stolzer Preis. In der Suite selbst hat die Autorin sich mit einer Inschrift hinter einer Statue an der Wand verewigt.

St. Giles Cathedral: Vorbild für Hogwarts 

Bereit, die Magie von Edinburgh zu entdecken, folgen wir Sarah, die eigentlich an der Universität in Glasgow studiert und nebenbei Touren für die Organisation child.org via airbnb-Entdeckungen anbietet. Es geht durch verschlungene, dunkle Gassen und Hinterhöfe, die als Vorlage für die Nokturngasse in den Harry Potter Romanen gedient haben sollen, bis wir in die Sonne auf der Royal Mile treten. Vor uns liegt die St. Giles Cathedral. Die Kathedrale ist die Hauptkirche der Church of Scotland und ist nicht nur von außen beeindruckend. J.K. Rowling soll sich von der Kathedrale für ihre Version von Hogwarts inspiriert gefühlt haben. Das leuchtet mir ein; die massiven Türme, Rundbögen und Fenster erinnern auch mich an die magische Schule, in der ich so viele Stunden in meiner Fantasie verbracht habe. 

Handabdrücke von J.K. Rowling in Edinburgh

Gleich gegenüber steht das Rathaus von Edinburgh, die sogenannten City Chambers. Im Innenhof sammeln wir uns um eine Steinplatte, die wir als eingefleischte Potter-Fans mehr als gut kennen — denn wir haben die Zeremonie von 2008 verfolgt, als Joanne K. Rowling ihre Handabdrücke im Boden verewigen durfte und den Edinburgh Award verliehen bekam.  

Die Abdrücke sind winzig und schmal. Was diese Hände geschaffen haben, wirkt mit diesem Vergleich noch gewaltiger. 

„It is an absolute honour to receive this award, as Edinburgh is very much home for me and is the place where Harry evolved over seven books and many, many hours of writing in its cafes.“ – J.K. Rowling

Edinburgh als Literaturstadt 

Eine kurze Pause legen wir im Writer’s Museum ein. Das Gebäude liegt versteckt hinter einer der verzweigten Gassen und erinnert ein kleines bisschen an das Zuhause der Familie Weasley: Wie der Fuchsbau ragt das Museum als schmaler Turm verwinkelt in die Höhe. 2004 wurde Edinburgh die UNESCO Stadt der Literatur, und das Museum feiert seine schottischen Literaten: Robert Burns, Sir Walter Scott, Robert Stevenson. Auch J.K. Rowling hat einen besonderen Platz im Herzen des Museums, denn sie spendete eine Ausgabe des ersten Harry Potter Bandes mit ihren handschriftlichen Notizen. Leider können wir das Buch nicht sehen, denn es wandert seit Jahren als Leihgabe durch die Welt.

Winkelgasse auf der Victoria Street

„Kennt ihr die meistfotografierte Straße von Edinburgh?“, will Sarah wissen. Wir schütteln die Köpfe. Eine Minute später führt sie uns auf die prachtvolle, von bunten Hausfassaden gezierte Victoria Street, die mich sofort an die Häuser in Notting Hill in London erinnert. 

„Willkommen in der Winkelgasse“, zitiert Sarah einen Spruch von Rubeus Hagrid, als er Harry zum ersten Mal in die Einkaufsstraße der Zauberer mitnimmt.

Wir schlendern die abfallende Straße entlang, staunen hier und da über die liebevoll gestalteten Schaufenster, über kleine Boutiquen und die großen Harry Potter Shops. Natürlich muss ein kurzer Abstecher sein. 

Allie aus Frankreich kauft sich ein Butterbier und strahlt. Ihre Freunde vernaschen ein paar Schokofrösche. Lisa und Mandy aus Hamburg machen Fotos an einem Schreibpult. Ich wandere durch die Regalreihen und fühle mich pudelwohl.

Es gibt Glaskugeln und Federkiele, Lesezeichen und Postkarten, Bücher, Schals, kunstvolle Grafiken und Poster, Statuen und Lupen und Zeitumkehrer — alles, was das Potter-Herz begehrt.

Geburtsort von Harry Potter?

Unser nächster Zwischenstopp führt uns zum Café The Elephant House. „Birthplace of Harry Potter“ steht an der Frontscheibe. Ach, wirklich?

„Hier hat Joanne K. Rowling viel Zeit verbracht“, meint Sarah. „Sie hatte bekanntlich wenig Geld und bekam hier kostenloses Schreibpapier, während sie in einer Nische saß und den ganzen Tag arbeitete.“ 

Der Tee, den ich mir später am Abend alleine hier gönne, schmeckt gut, aber ob ich an die Geschichte rund um die Autorin glauben will, da bin ich mir nicht so sicher. Aber wer sich nicht vor öffentlichen Toiletten scheut, sollte hier unbedingt mal einen Blick hinein werfen…

Der Grabstein des Tom Riddle

Friedhöfe üben eine merkwürdige Faszination auf die Menschen aus. So spazierte auch Joanne K. Rowling auf dem Greyfriars Kirkyard in Edinburgh zwischen den uralten Grabplatten umher. Ein beliebter Ort außerdem für viele Angestellte, die hier bei Sonnenschein die Mittagspause in aller — buchstäblichen — Ruhe verbringen. 

Tatsächlich findet sich hier und da ein allzu bekannter Name aus der Potter-Welt: Moody, McGonagall, und sogar Tom Riddel. Eigentlich ist das Grab zu ehren eines gewissen Thomas Riddell Esq. of Befsborough gewidmet, der seit 1806 hier eine friedliche Ruhestätte finden sollte. Bestimmt hat Rowling nicht im Sinn gehabt, dass einige Fans soweit gehen und das Grab für desjenigen des echten Voldemort halten — und versucht haben, den armen Thomas Riddell auszugraben. „Deswegen liegen hier jetzt Gummiplatten über der Erde“, deutet Sarah auf den Boden. „Manche Menschen sind einfach nicht damit klargekommen, dass es nur eine Geschichte ist.“

Schräg finde ich übrigens auch, dass das Grab von Thomas Riddell sogar als Grab von Lord Voldemort bei Google Maps zu finden ist.

Das wahre Hogwarts 

Gleich hinter dem Friedhof liegt die George Heriot School. Auch die Kinder der Autorin gingen später auf diese 1628 erbaute Eliteschule, in der die Schüler in die vier Häuser Greyfriars, Raeburn, Castle und Lauriston eingeteilt werden. Ganz sicher kein Zufall, sind wir uns alle einig. 

Gar nicht Potter, aber trotzdem: Potterrow 

„Lasst uns ein kleines Quiz veranstalten“, entscheidet Sarah, als wir das Universitätsviertel von Edinburgh mit dem wundervollen Namen Potterrow erreichen. Der Name hat zwar nichts mit unserem magischen Helden zu tun, aber die Tour führt uns zu einer Sehenswürdigkeit, die nur wenige Fans besuchen. Aber erst will Sarah uns herausfordern. 

„Wofür steht das K im Namen der Autorin?“ Hach, das ist ja was für Anfänger. Unsere Gruppe besteht aus eingefleischten Kennern: Das K steht für Kathleen, den Vornamen ihrer Großmutter, den sie selbst hinzufügte. 

„Und welches Lied hätte Dumbledore gerne bei seiner Beerdigung gehört?“ Nein, Sarah, du erwischt uns nicht auf dem falschen Fuß. Wir wissen, dass er gerne My Way von Frank Sinatra gehört hätte. 

Wir haben uns als würdig erwiesen, Sarah führt uns durch den düsteren Tunnel Potterrow Port. Genau hier sollte eine Szene aus dem fünften Film Harry Potter und der Orden des Phönix gedreht werden, als Harry und sein Cousin Dudley von den Dementieren verfolgt werden. 

„Leider belagerten so viele Schaulustige das Set und die Darsteller“, berichtet Sarah, „dass man den Tunnel naturgetreu im Studio nachbauen musste. Es ging einfach nicht, dass die Studenten bei ihren Prüfungen gestört wurden. Einige kamen sogar gar nicht ins Gebäude, weil Fans die Schauspieler beim Dreh sehen wollten.“ 

Da kommt mir der Kieler Tatort plötzlich ganz beschaulich vor.

Ein letzter Abschied

Wir verabschieden uns von Sarah und ihrem weißen Zauberstab am Spoon Café in der Nicolson Street. Vollkommen unscheinbar steht es da, so ganz ohne die blinkende Werbung für eine Geschichte, die die Welt verändert hat. Warum wir trotzdem hier sind? Das Café gehörte vor Jahren dem Schwager von Joanne K. Rowling. Hier soll sie ebenfalls gesessen und geschrieben haben. 

Warum sind wir bloß immer auf der Suche nach diesem einen Ort aus dem der Funke entsprungen ist, der Harry Potter zum Leben erweckte? 

Ich stelle mir gerne vor, wie Joanne K. Rowling all diese Theorien über sich selbst liest, schmunzelt und sich entspannt zurücklehnt, ohne je die Antwort geben zu müssen. Lebt sich als Fan doch auch viel schöner, so auf der ewigen Suche nach der Lösung. 

Danke, Jo, dass du uns seit mehr als 20 Jahren in deine magische Welt entführst. Hogwarts will always be there to welcome us home. 

Wir kommen für ein gemeinsames Foto zusammen. Sarah winkt, wir lächeln, alle sind zufrieden. Eine Prise Magie für den Tag — und ganz sicher ein netter Rundgang durch Edinburgh’s verwinkelte Straßen. 

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