Ein Paradies in Verona- Gartengeschichten aus Italien -


Vom Kopf des Feuerspeiers erstrecken sich die verschlungenen Wege unter mir. Dort das Labyrinth mit seinen niedrigen grünen Hecken, dort die Götterfiguren in den Nischen zwischen den Töpfen mit Orangen- und Zitronenbäumchen, noch im Wachstum. Unter mir im Fels die Grotten, Überreste der Perlen, Muscheln, Spiegel im Stein. Wer hat sich diesen magischen Ort geschaffen?

Nach einem Espresso im Innenhof unserer Gastgeber ruft die Entdeckerstimmung. Ob wir diesen einen Garten schon kennen, fragt Sara, die den Tisch für unsere Zimmernachbarn eindeckt. Im Osten von Verona, nur ein paar Schritte von der Piazza Isolo entfernt. Sie beschreibt uns den Weg, und schon laufen wir durch die Stadt. Dass ich mich aus ganzem Herzen für Gartenanlagen, Kräuterbeete und Flanier-Residenzen im Grünen begeistern kann, ist kein Geheimnis. Kein Wunder also, dass der Giardino Giusti auf meiner Reiseliste nicht fehlen darf.

Es dauert keine Stunde, bis wir von unserer Unterkunft bis zum großen Torbogen kommen, hinter dem der Garten und der zugehörige Palazzo liegen. Über den kurzen Steinhof geht es hinein, und dann erstreckt sich das wilde und doch malerische Plätzchen vor uns.

Der italienische Renaissance-Garten wurde schon 1580 angelegt und gilt als einer der schönsten Gärten der Renaissance in ganz Europa. Ich verstehe sofort, warum: elegante Wege zwischen hohen Hecken und Plattformen, Statuen mythologischer Figuren, Zypressen entlang einer Allee, ein verwunschener Hügel hinauf mit versteckten Eingängen, geheimnisvollen Grotten.

Ich habe schon einige Gärten in Italien bewundern dürfen, aber hier fällt mir sofort auf: Der Giardino Giusti folgt einem eigenen Stil. Anders als beispielsweise in Rom, liegt die Residenz, zu der der Park gehört, nicht auf dem Hügel. Der Palazzo Giusti liegt am Füße der Anlage, hält sich zurück, stellt die gestaltete Natur in den Fokus. In einer zentralen Achse geht es vom Innenhof zum Belvedere hinauf. Schmale, verzweigte Pfade, Treppen, sogar ein kleiner „Geheimgang“ durch einen Turm, bis zur höchsten Stelle. Hier oben schaue ich über ganz Verona – ich glaube, ich habe selten einen so beeindruckenden Ausblick über eine ganze Stadt erlebt. Die Zentralachse teilt den Garten auf: rechts ein Wald, links der italienische Park. Und ja, ich gebe es zu: Im Labyrinth, angelegt nach französischem Design, habe ich mich direkt verlaufen und brauchte bestimmt 15 Minuten, um den Ausgang wiederzufinden.

Ende des 14. Jahrhunderts gehörte das Wollfärben zu Veronas Haupteinkommensquellen. Die Familie Giusti war interessiert an diesem Industriezweig und zog deswegen aus der Toskana nach Verona. Provolo Giusti kaufte 1406 ein Stück Land direkt neben der Haupthandelsroute der Po-Ebene. Für die folgenden 200 Jahre wurde an diesem Ort, auf dem heute der Garten liegt, in riesigen Kesseln die Farbe zum Färben von Wolle bereitgestellt. Die Fabrikgebäude wurden später durch den eleganten Palazzo ausgetauscht – auf Bestreben von Agostino Giusti, der sich leidenschaftlich für Musik, Antiquitäten und Grotten begeisterte. Er war Ritter der Republik Venedig, daher war er bestens verbunden mit den Familien Medici und Habsburg (die damals in Europa vorherrschten). Agostino orientierte sich in vielen Details daher auch an den Gärten der Medici, fand aber auch seinen eigenen Stil. Vor allem die Maske „Mascherone“ von Bartolomeo Ridolfi, die am höchsten Aussichtspunkt über dem Garten thront, ist besonders. Aus ihrem Mund spuckten Feuer und Rauch, um Gäste zu beeindrucken.

Meinen Lieblingsort, an dem ich lange verweile, habe ich nach meiner Entdeckungstour gefunden: Eine der größten Grotten im Felsen war vor langer Zeit ausgeschmückt mit Siegelscherben, Fresken, Muscheln, Korallen, Perlen und Schwämmen. Überreste sind bis heute zu erkennen. Wie sich die berühmten Besucher wie Cosimo III., Charles de Brosses oder Zar Alexander I. hier wohnt beschäftigt haben müssen? Für mich ist dieser Garten ein Ort, der zum Verweilen einlädt, aber hinter jeder Ecke auch Geheimnisse bereithält – oder das Schmieden von geheimen Plänen in düsteren Grotten befeuert.Erst vor zwei Jahren hat der Garten unter den zunehmenden Unwetter stark gelitten: Die Zypressen sind schwer beschädigt, viele Bäume sind gefallen, das Labyrinth unter ihrem Gewicht zerdrückt, Statuen zerbrochen. Die 600 Jahre alte Goethe-Zypresse wurde komplett zerstört. Die Pflegerinnen und Pfleger des Gartens arbeiten daran, ihn wieder aufzubauen, doch die sich stetig verändernden Wetterverhältnisse machen es schwierig, die Zukunft des Gartens für immer zu sichern. Es macht mich nachdenklich – ein Paradies wie dieses hat seit dem 16. Jahrhundert überlebt. Heute, im Zeitalter der menschengemachten Klimakatastrophe, steht der Garten auf wackeligem Untergrund. Mir wird auch bei diesem Besuch wieder deutlich, dass wir die Kostbarkeit unserer Natur um jeden Preis schützen müssen.

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Wissenswertes

Der Autor Francesco Pona schrieb 1622 in seinem Buch Il paradiso de’ Fiori, welche Pflanzenvielfalt im Giradino Giusti beheimatet ist. Es gibt seit 2006 eine Neuauflage des Buches mit spannenden Zeichnungen zum Garten, die man wohl in Antiquariaten finden kann, wenn man gut danach sucht.

Der Garten gehört seit dem Sturm 2020 zu den sieben gefährdetsten Weltkulturerben der Liste von Europa Nostra. 

Pro Person kostet der Eintritt in den Garten und den Palazzo (Apartment 100), der auch sehr sehenswert ist, 10 Euro. 

Hier ein Einblick in den Palazzo:

Ein Tischchen mit Vase und Federn im Palazzo des Giardino Giusti in Verona