Raus aus der Stadt rein ins Erholen- Oase in London: Hampstead Heath -


Raus aus der Stadt, nur für ein paar Stunden. Weg vom ganzen Trubel, den blinkenden Lichtern, dem Lärm, den Taxen, Bussen, dem Donnern der U-Bahn unter meinen Schritten. Ich sehne mich nach Bäumen, Wiesen, Wald, etwas Grünem, irgendwo muss es doch einen Ort geben …

Unter meinen Füßen klappert der U-Bahnwagen der Northern Line auf den Gleisen. Es ist warm hier drinnen, stickig, obwohl draußen Minusgrade herrschen. Es ist merkwürdig still. Nur die Tube rauscht dahin. Die Menschen um mich herum starren geradeaus, auf ihre Telefone, lesen die Morgenzeitung, haben die Augen geschlossen, wollen noch ein bisschen Schlaf aufholen, bevor sie den ganzen Tag in einem der Büros verbringen, von denen sie keinen Blick auf einen Garten oder einen Park haben.

„The next station is Gospel Oak. Please mind the gap between the train and the platform.“

Zurück an der Oberfläche bricht gerade die Sonne durch die Winterwolken, ich ziehe den Schal höher um den Hals, ein Blick um mich herum — und dann sind es nur noch wenige Schritte.

Vor mir öffnet sich das unendliche Grün, hinauf und hinunter, über Hügel und kleine Anhöhen, ich sehe einen kleinen Teich, da hinten einen Sumpf, hohe Heidebäume. Es duftet holzig, nach Moos und Winterlaub.

Hier bin ich genau richtig. Hampstead Heath, benannt nach dem englischen Wort für Heideland (heathland), erstreckt sich im Norden von London und umarmt mich der ganzen Kraft der Natur. Hier kann ich durchatmen.

Vorbei am Parliament Hill Lido, dem Freibad im Park, geht es durch ein Waldstück hinauf auf den Parliament Hill. Von hier genieße ich einen herrlichen Blick über die Stadt — ich habe nicht damit gerechnet, so viel entdecken zu können.

Da hinten liegt es doch, Westminster, so klein und winzig, hier oben wirkt es unbedeutend. Das London Eye dreht träge im Wind, die Hochhäuser der Canary Wharf wirken weit entfernt und glanzlos.

Früher nannte man diesen Aussichtspunkt in den Parliament Hill Fields in Hampstead Heath auch den Traitor’s Hill. Während des englischen Bürgerkriegs besetzten die Parlamentstruppen nämlich diesen strategisch gut gelegenen Hügel. Das Parlament steht hier aber nicht mehr — zum Glück, denn in Westminster steht es auch ganz gut.

Der Park erstreckt sich Kilometer um Kilometer, es ist herrlich. Bis hinauf in den Norden laufe ich, vorbei an mehreren Teichen in der Nähe von Highgate, wo man schwimmen kein: Ein Teich gehört den Frauen, einer den Männern, in einem Teich dürfen beide Geschlechter gemeinsam schwimmen. Andere der 25 Teiche hier sind zum Fischen oder zum Modellbootfahren gedacht, auch einen Teich nur für Tiere gibt es.

Unter Baumstämmen hindurch, zwischen engem Flechtwerk entlang, durch mehrere Waldstücke, eine sumpfige Wiese hinauf — und dann liegt es im strahlenden Sonnenlicht vor mir, das Kenwood House.

Im 17. Jahrhundert wurde das klassizistische Herrenhaus für Walter Murray, den ersten Earl of Mansfield errichtet. Im 20. Jahrhundert ging es an den Erben der Bierbrauerei Guinness — man stelle sich vor, was er alles damit hätte anstellen können! Stattdessen stiftete er das Haus und den umliegenden Park an das Land. Jetzt dürfen Besucher in Kenwood House einen Blick auf die weltberühmte und einmalige Gemäldesammlung werfen: Die Gitarrenspielerin von Vermeer, ein Selbstporträt von Rembrandt, Bilder von Hals, van Rijn und Gainsborough.

Eine Weile sitze ich auf einer Bank neben dem Haus und bewundere die Ruhe um mich herum, dann setzte ich meinen Spaziergang fort.

Eine Mutter spielt mit ihren Kindern am Klettergerüst, ein Mann und seine Frau führen einen sehr großen Dalmatiner aus, jemand fährt mit einem Fahrrad vorüber, hat offenbar Schwimmzeug im Gepäckträger. Eine kleine Familie tuckelt vorbei, aus dem Kinderwagen ragen kleine Fäuste in winzigen Handschuhen. Dort hinten, eine ältere Dame sitzt auf einer Bank und liest, ein Mann steht unweit der Rutschen, starrt ins Nichts, telefoniert über seine Kopfhörer, einen Plastikbecher mit Tee oder Kaffee in der Hand. Eine Schulklasse spielt Fußball auf einer Rasenfläche, die Teams in rot und blau, jemand schießt ein Tor, Jubel ertönt, Eltern bauen am Rand Tapeziertische mit Töpfen voll heißem Kakao und Tabletts mit Muffins zur Stärkung auf. Zwei Jungen, die ihren Drachen steigen lassen, rennen den Berg hinunter.

Fröhliches Geschrei, ein Ruf zur Mahnung, Gebell, Klingeln, Plätschern im Teich, als jemand einen Stein flitschen lässt — das hier, das ist es: Leben. Abseits von Doppeldeckerbussen auf überfüllten Londoner Hauptstraßen. Hier leben diejenigen, die aus einer Stadt das werden lassen, was sie erfahrenswert macht. Ohne die Menschen und ihre Geschichten würde es dies alles nicht geben. Ohne die Menschen würden wir Reisenden wenig zu erzählen haben.

In Momenten wie diesen frage ich mich, ob es nicht komisch ist für diejenigen, die hier ihr tägliches Leben führen, wenn wir sie beobachten. Wir, die Reisenden, die nur diesen winzigen Ausschnitt ihres Tages sehen, dann aber meinen, genau zu verstehen, wie ihre Welt hier funktioniert. Sieht ja schließlich nicht viel anders aus als bei uns zu Hause. Aber dann: Wie können wir denn sicher sein, dass es wirklich so ist? Wie können wir wissen, mit welchen Rückschlägen sie vielleicht zu kämpfen haben, was ihnen widerfahren ist, worauf sie sich freuen, was sie glücklich macht? Und: Sind sie überhaupt einverstanden damit, dass jemand wie ich sie beobachtet und mir ihre Geschichten ausmale, sie als Inspirationsquelle nutze für das, was ich danach in einem Reisetext wie diesem hier aufschreibe? Die Welt ist schon ein merkwürdiger Ort. Ich genieße es aus vollstem Herzen, hier zu sein.

Rundherum wandere ich um den ganzen Park, dann hinaus, die Straßen entlang, über Kentish Town und Chalk Farm, Primrose Hill und den Camden Market (mit einer Portion Vegan Mac and Cheese in Rudy’s Dirty Vegan Diner), durch den Regent’s Park, vorbei am Sherlock Holmes Museum, durch Marylebone. In meinem liebsten Buchladen, Daunt Books, kehre ich ein und lasse meinen Tag enden.

Meinen Spaziergang habe ich dir hier auf der Karte eingezeichnet, Startpunkt ist der grüne Button. Hellgrün markiert den Parliament Hill, der rote Button endet bei Daunt Books in Marylebone. Plane rund drei bis vier Stunden ein.

Wissenswertes

Der Großteil der Parkfläche Hampstead Heath liegt im Stadtbezirk Camden, der andere Teil in Barnet. Er ist ein beliebtes Ausflugsziel.

Neben der U-Bahn-Station Gospel Oak liegen die Stationen Hampstead oder Golders Green im Westen, sie sind mit der Northern Line zu erreichen. Im Osten liegt die Station Tufnell Park, von hier sind es etwa 1,5 Kilometer Fußweg zum Park.

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