Die Achtsamkeit der anderen- Wenn eine Freundschaft am Reisen zerbricht -


Wer seinen Traum im Reisen verwirklicht, der wird nicht immer nur Fürsprecher haben. Auch wir nicht. Die Zweifel und manchmal Anklagen besonders auf Seiten der Familie waren groß. Und dennoch hat irgendwann jeder unseren Plan akzeptiert, uns unterstützt und gemerkt, dass es uns gut tut. Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet einer meiner besten Freunde offensichtlich nicht verstehen konnte, was mir dieses Sabbatjahr bedeutet.

Es waren ziemlich genau sechs Jahre, die wir jetzt zusammenarbeiteten. In einer Firma, in einem Team, an gemeinsamen Projekten. Sechs Jahre voller Herausforderungen, voller Erfahrungen, voller Höhen. Und Tiefen. Und auch durch die waren wir irgendwie gemeinsam gegangen. Hatten uns lange beschnuppert, belauert, auch mal angekeift. Und doch waren wir Freunde geworden. Einer so grundverschieden wie der andere, haben wir Seite an Seite die gleichen Visionen gehabt, die gleichen Interessen, den gleichen Humor. Wir haben uns unterstützt, zusammen gefeiert, Trennungen von unseren Partnern zusammen durchgestanden und waren für einander da. Wir haben Urlaube zusammen verbracht, Sport getrieben, uns vertraut. Auf Leben und Tod. Beim Klettern als Sicherungsbuddy. Etwas, das man nicht leichtfertig tut. Jeder Sportkletterer weiß, wovon ich spreche.

Doch an diesem Abend in Tirol, genauer gesagt im Vinschgau, ändert sich etwas. Wir haben eines der bisher schwierigsten und aufwändigsten Projekte hinter uns, kommen gerade aus Singapur, sind gejetlagged und versuchen uns bei ein paar Tagen biken etwas auszuruhen. Gemeinsam mit unseren Partnern sitzen wir nach dem Abendessen auf dem Campingplatz und trinken ein Bier.

Es ist der Abend, an dem ich Markus (ich habe den Namen geändert) erzähle, was wir vorhaben. Das wir noch mal raus wollen, dass es uns wegzieht. Für ein gutes Jahr, rund um die Welt. Es ist dieser Moment, als in seinen Augen etwas aufblitzt, und dann für immer erlöschen zu scheint. Markus kommentiert das nicht. So gar nicht. Er ist der zweite nach unseren Familien, der davon erfährt. Weil er mein Freund ist. Weil wir für einander da sind.

Rückblickend scheine ich damit falsch gelegen zu haben. Denn ab diesem Tag hatte sich etwas verändert. Die Vertrautheit schien gegangen, das gemeinsame Lachen und feiern schien getrübt. Zum ersten Mal bekomme ich das drei Wochen nach diesem entscheidenden Abend zu spüren. Wir sind in Barcelona auf dem nächsten Projekt. Und Markus brüskiert mich. Im Angesicht unseres Vorgesetzten. Das hatte er nie getan, nicht auf diese Art und Weise. Ich bin mir nicht sicher, wie ich reagieren soll, lasse die Situation an mir vorbeiziehen. Doch besser sollte es nicht mehr werden.

Die Monate ziehen ins Land, und je mehr Zeit vergeht, desto mehr distanziert sich Markus von mir. Wir werden uns fremd, ich dringe einfach nicht mehr zu ihm durch. Immer öfter geht er mir aus dem Weg, privat wie beruflich. Zum Geburtstag gratuliert er nicht, zur Party sagt er ab. Ich werde nie erfahren, was genau los ist. Die Bitten, miteinander zu sprechen, werden ignoriert, die Tatsache, dass ich ein Jahr weg sein werde, totgeschwiegen.

Bis dann vier Wochen vor der Abreise der Kontakt völlig abbricht. Meine Nachrichten nicht mehr beantwortet werden, ich einfach einen guten Freund verloren zu haben scheine. Als sich die Flugzeugtür schließt, schreibe ich die letzte Whatsapp. Lasse ihn wissen, dass ich für ihn da bin, sollte in 12 Monaten etwas Gras über die unausgesprochene Sache gewachsen sein. Dann fliegen wir, einer unbekannten Zukunft entgegen. Mit Vorfreude, Spannung, Mut. Und der Ungewissheit, nicht erfahren zu haben, was ich vielleicht falsch gemacht habe. Nicht zu wissen, wofür ich mich vielleicht hätte entschuldigen können. Mit einem quälenden Schmerz des Unverständnisses. Die Psychologie hat ein Wort dafür: Ghosting. Und sie sieht die Ursache in einer Mischung aus sozialer Inkompetenz und Überforderung. Vielleicht ist das so. Vielleicht war Markus überfordert mit der Situation. Vielleicht dachte er, ich lasse Ihn allein…

Ich bin jemand, der an das Gute im Menschen glaubt. Der weiß, dass jeder seinen ganz eigenen kleinen oder großen Kampf kämpft, von dem man keine Ahnung hat. Das habe ich auf meinen Reisen gelernt. Und das zu akzeptieren ist einer der Grundsätze der Achtsamkeit. Gleichmut fällt uns nicht immer leicht. Und dennoch, nachdem ich so sehr verletzt wurde, kann ich keine Wut empfinden. Ich bin enttäuscht. Eines der Gefühle, was auch die einfach unglaubliche Erfahrung dieses einen Jahres nicht „heilen“ konnte. Trotz allem würde ich es immer wieder tun. Menschen müssen nicht immer verstehen, warum wir reisen gehen. Warum wir manchmal rastlos sind und alles hinter uns lassen. Wir sollten uns nur davon nicht zurückhalten lassen. Diese Reisen geben uns soviel mehr und helfen zu verstehen, wie die Welt funktioniert. Oder eben auch nicht. Und genau das sollte uns motivieren, achtsam zu sein, wenn es anderen schwer fällt!

Wissenswertes

Christian ist bereits zweimal im Leben einfach aufgebrochen in ein neues Leben. Hat alles hinter sich gelassen, um gemeinsam mit seiner Verlobten auszusteigen auf Zeit. Auf Ways2Travel berichten sie gemeinsam davon. Von der Erfahrung, von Höhen und Tiefen. Und hoffen zu inspirieren, wie auch sie immer wieder von anderen Reisenden inspiriert werden.