Die Kunst der Gelassenheit auf Reisen- Yoga in Cabarete -


Spätnachmittags, 17:30 Uhr. Eine feine Brise streift über die Terrasse. Die getrockneten Palmenblätter auf dem Dach bewegen sich lautlos im Wind. Der Himmel färbt sich dunkelblau, die Natur um mich herum leuchtet noch grün und der Geruch der salzigen Meeresluft umweht meine Nase. Mein Blick ruht auf weißen Schaumkronen, die sich sanft am Riff brechen.

„Relax your body and calm your mind“, sagt die Yogalehrerin beruhigend. Schön wär’s.

Denn hinter meinem Rücken rasen lautstark die Motoconchos über den Highway 5, der die Orte Las Galeras östlich von Cabarete mit Puerto Plata im Westen verbindet. Motoconchos, so heißen hier die Taxis, von denen es unzählige gibt. Junge und ältere Männer, die Touristen und Einheimische für wenige Pesos auf dem Rücksitz ihrer Motorräder von einem Ort zum nächsten bringen, messen sich in Geschwindigkeit und der Lautstärke ihrer Motoren auf der Straße, an der sich hier in der Dominikanischen Republik das alltägliche Leben abspielt.

Motorengeheul. Ein Hupen ertönt. Über Lautsprecher ertönt eine Männerstimme. Was sie sagt verstehe ich nicht, nur das Wort „Jesus“ schnappe ich auf und weiß, dass in dem Auto Menschen sitzen, die tagein tagaus durch die Straßen fahren, um andere zu ihrem Glauben zu bekehren. Meine Gedanken wandern.

Ich bin still – die Welt ist laut

Während meine Yogapraxis in Deutschland zur täglichen Routine geworden ist, in der ich häufig gegen Langeweile ankämpfte, ist hier plötzlich alles anders. Der Geruch meiner Umgebung ist mir fremd, der Lautstärkepegel hoch und die Anleitungen sind in einer Sprache, die ich zwar verstehe, aber die mir trotzdem so viel weniger vertraut als meine Muttersprache ist.

All die Eindrücke, die mir an diesem neuen Ort begegnen, so scheint es mir, entfalten ihre ganze Kraft in den Momenten, in denen ich versuche, ganz bei mir zu sein. Sobald ich still werde, wird die Welt dort draußen lauter.

„Just concentrate on yourself, breathe in, breathe out”, nehme ich die Worte meiner Yogalehrerin wahr. Aber wie soll mein Geist still werden, wenn’s draußen so laut ist? Wie soll ich mich auf meinen Atem konzentrieren, wenn ich das Gefühl habe, mitten auf einer Autobahn zu meditieren?

In der Meditation liegt die Kunst darin, dem gegenwärtigen Moment offen und neugierig zu begegnen, ohne ihn zu bewerten. Eine Kunst, die auch dem Reisenden hilft, die Welt in all ihrer Pracht zu entdecken.

Übung macht den Meister

Am Anfang scheint das manchmal schwer. Denn manchmal sind die Bedingungen an einem neuen Ort weit entfernt von unseren Gewohnheiten und Vorstellungen, so dass der Alltag zur Herausforderung wird. So wie auch dieser Moment am Meer. Die Hauptstraße tauchte in meinem romantischen Bild von der Yogaklasse direkt am Wasser überhaupt nicht auf.

“Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.”*

Seit meiner ersten Stunde sind einige Wochen vergangen. Ich bin weiter zum Yoga gegangen, habe mich bemüht, zu atmen und dabei so wenig wie möglich zu denken. Manchmal sind die Geräusche tatsächlich zu einer Hintergrundmusik verschwommen, in der die Wellen lauter als die Motorräder waren. An anderen Tagen war es umgekehrt.

Ich übe weiter.

*Marie von Ebner-Eschenbach