Schottland, die Sonne und ein Tempel- Ein Spaziergang auf dem Calton Hill in Edinburgh -


Es ist eiskalt, und trotzdem ist mir warm ums Herz. Eingehüllt in eine dicke Regenjacke hebe ich mein Gesicht in den Wind, er pfeift mir in den Ohren, peitscht meine Haare um meinen Kopf. Dann spüre ich, wie ein sanftes Licht vor meinen geschlossenen Lidern erscheint. Ganz langsam öffne ich die Augen. Die Sonne geht auf und taucht den Calton Hill in Edinburgh in einen goldenen Schein. Ich bin hier…in Schottland.

Noch im Dunkeln bin ich auf den Hügel am Ende der Princes Stress gelaufen, ohne zu wissen, was mich erwartet. Nach meinem Flug am Vortag konnte ich einfach nicht schlafen, die halbe Nacht lag ich wach, um 06:00 Uhr gab ich auf und lief los. Vorbei an geschlossenen Geschäften, weg von der Stadtmitte, raus in Richtung Natur.

Ruhe finden. Durchatmen.

Ruhe auf dem Calton Hill

Mir begegnet keine Menschenseele. Über ein paar Stufen, versteckt am Fuße des Hügels, klettere ich hinauf. Links und rechts schon die ersten grünen Blätter an den Büschen. Eine einzelne weiße Osterglocke hat es durch die Erde geschafft.

Mit jedem Schritt nach oben wird es kälter, der Wind immer stärker, aber er stört mich nicht. Ich genieße die Laune der Natur. Oben angekommen warte ich, bevor ich mich umsehe, suche mir nur eine Bank und setze mich. Ich bin ganz allein.

Und dann wärmt mich der Sonnenaufgang von außen und von innen, zaubert mir ein breites Lächeln ins Gesicht.

Denkmäler und Bauten: Schottische Geschichte hautnah

Jetzt bin ich bereit, mich umzusehen. Eine merkwürdige Ansammlung an Gebäuden, Statuen und Gebilden erwartet mich, dazu eine atemberaubende Aussicht über die Stadtmitte, aus der ich gerade gekommen bin; hinüber zum Arthur’s Seat, dem stadteigenen Vulkan; über die Hafenstadt Leith, über den Holyrood Park. Irgendwo ganz weit im Norden beginnen die Highlands, denke ich.

Die Denkmäler stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, lerne ich auf meinem Rundgang über den Hügel. Sie sind Erinnerungen an die Geschichte Schottlands. Da ist das National Monument of Scotland, das mich sofort an den Athene-Tempel auf der Akropolis in Athen erinnert. Was hat diese Sammlung aus Säulen hier zu suchen, im kalten Norden?

Erst später lese ich, dass der Architekt William Henry Playfair einmal ein ganzes Parthenon mit Totengräbern unterhalb der Säulenhalle bauen wollte, um an die Gefallenen aus den Napoleonischen Kriegen zu erinnern. Aus Geldmangel musste der Bau abgebrochen werden — schade eigentlich. Trotzdem ist das halbfertige Monument heute ein Schauplatz geworden:

Am 30. April ist es jedes Jahr die Kulisse für 12.000 Besucher des Beltane Feuerfest.

Auch das Nelson Monument erinnert an kriegerische Taten: Es ist ein Gedenken an die Schlacht bei Trafalgar unter Vize-Admiral Horatio Nelson. 32 Meter ragt es über den Hügel hinauf. Ganz in der Nähe das Dugald Stewart Monument, das wohl auf jeder Postkarte von Edinburgh zu entdecken ist. Der kleine Tempel, ebenfalls inspiriert von antiker Kunst und Architektur in Athen, ist eine Hommage an den schottischen Philosophen Dugald Stewart, der einmal sagte:

„Every man has some peculiar train of thought which he falls back upon when he is alone. This, to a great degree, moulds the man.“

Wie recht er doch hat.

Blick in die Natur, Blick in das Leben

Ich lasse das Political Martyrs Monument, das Playfair Monument, den Parliament Cairn, die Steinfackel zum Gedenken an die schottische Missionarin Jane Haining, die in Ausschwitz starb, und die Portugiesische Kanone hinter mir, wandere stattdessen mit offenen Augen und tiefen Atemzügen um das Old Observatory House und das City Observatory herum. Wie es wohl sein muss, von dort in den sternenklaren Nachthimmel zu schauen, die Zauber des Weltalls zu beobachten?

Antike und Gotik, alte Geschichte und neue Geschichte, Krieg und Leben, Nacht und Tag — hier oben verbinden sich die Gegensätze.

Nach über einer Stunde bin ich nicht mehr allein. Ein Paar mit einem schwarzen Labrador kommt den Hügel hinauf. Sie halten sich an den Händen, werfen hin und wieder einen gelben Ball für den Hund und gehen einträchtig nebeneinander über die Wiese. Der Hund rennt seinem Ball hinterher. Ich beobachte die drei in ihrer eingespielten Harmonie. Irgendwann setzen sie sich unweit meiner Bank, prosten mir mit ihren Thermosbechern zu und wenden sich der malerischen Kulisse der Lowlands zu.

Für die Historie hinter sich haben sie keinen Blick und keine Gedanken übrig; ich lächle, wende mich von den Bauwerken ab und tue es ihnen gleich: wende mich dem zu, was vor mir liegt, was im Sonnenlicht neu erstrahlt, was Leben bedeutet.

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