Französische Schlossgeschichten- Was ich in Versailles über Tourismus gelernt habe -


Schlösser, Paläste und Burgen beeindrucken mich schon seit meiner Kindheit: Riesige Gartenanlagen, imposante Thronsäle, meterlange Korridore und Gänge, auf denen man einmal flanierte, und überall Kunstwerke… Natürlich hatten das höfische Leben und der Adel, der besonders in Frankreich die Menschen viel zu lange unterdrückte, auch seine Schattenseiten. Als ich mich an einem sehr heißen Tag in Paris dazu entschied, nach Schloss Versailles zu fahren, war mir noch nicht klar, dass ich an diesem Tag auch einiges über die Schatten- und Sonnenseiten der Reisenden und Einwohner lernen sollte.

Die Wir-sind-allein-in-der-Metro-Familien

Von Paris aus geht es mit dem Zug L vom Bahnhof Saint-Lazare zum Versailler Bahnhof Versailles Rive Droite. 35 Minuten, um genau zu sein. Noch ahne ich nicht, dass sich der Achtsitzer neben uns gleich mit einer gut ausgesuchten Horde an Reisenden füllen wird, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den ganzen Zug für die gesamte Fahrtzeit lautstark zu unterhalten – es könnte schließlich still werden.

Und dann sind sie da: Mutter, Vater, zwei Tanten, Tochter, Sohn, offenbar auch die Schwiegermutter und der Großvater, bepackt mit großen Taschen und Brotdosen, wild gestikulierend, schreiend, durcheinander plappernd. Sie sind Spanier, alle miteinander. Sehr laute Spanier. Ich habe keine Ahnung, worum es in ihrem Gespräch geht, und sie offensichtlich auch nicht, denn keiner scheint dem anderen zuzuhören, Hauptsache, man tut seine Meinung kund. Die Engländer hinter uns gehen in den anderen Waggon. Eine Französin rümpft die Nase, macht eine schnippische Bemerkung und steigt aus.
Wir dagegen sitzen die spanische Metro-Familie aus, versuchen uns in radikaler Akzeptanz und senden ein Stoßgebet zum Himmel, als wir endlich ankommen. Noch nie habe ich einen Zug schneller verlassen, um meinen Mitreisenden zu entkommen.

Vom Bahnhof sind es rund 20 Minuten Fußweg durch den beschaulichen Ort Versailles zum gleichnamigen Schloss.

Die verwirrten Schlangensteher

Der Schlosshof ist überfüllt mit Menschenmassen, mehr als dreißig Reisebusse haben die sandalentragenden und sonnencremebeschmierten Pauschaltouristen ausgespuckt und überlassen sie den verschiedenen Schlangen auf dem Pavillon Dufour. Auch wir zwängen uns durch den kurzen Sicherheitscheck, ehe wir die Wahl haben: Schlange vor dem Ticketgeschäft? Eingang A? Eingang B? Oder gar Eingang VIP?

Vor lauter Menschen tritt es fast in den Hintergrund, das majestätische Schloss, dass wir doch alle sehen wollen, aber vor lauter Verwirrung fast vergessen.

Um es euch einfacher zu machen: Wenn man ein Ticket kaufen muss, ab zum Schalter. Eingang A und in die sich windende Zwei-bis-Drei-Stunden-Schlange, wenn man ein Ticket hat, B, wenn man ein Ticket mitsamt Timeslot gebucht hat. VIPs sind diejenigen, die sich die 50 Euro leisten können, um gar nicht anstehen zu müssen.

Die asiatischen Alles-Fotografierer

Wer kennt sie nicht, unsere Freunde aus Asien, die das Schloss fotografieren, aus dem Bus, aus der Schlange, von links, rechts, von der Seite, als Portrait, als Selfie im Hintergrund, mit der ganzen Familie, allein, von hinten, ohne Hut, mit Schirm, lachend und ernst. Alle möglichen Perspektiven bannen sie auf ihre 500 Gigabyte-Speicherkarten, nichts lassen sie aus. Vorsicht, lauft einem ihrer 283647 Schnappschüsse nicht ins Bild – sie können ziemlich ungehalten werden. Schließlich könnten sie Gefahr laufen, sich wirklich etwas anzusehen, anstatt das schönste Schloss Europas nur durch einen winzigen Kasten in ihrer Digitalkamera zu betrachten.

Die gehetzten Kulturbanausen

Sie hetzen durch die Räume, im Stechschritt von links nach rechts, ein Foto, dann der Blick geradeaus, es geht weiter. Kein Auge haben sie für die götterinspirierten Deckengemälde, den Stuck an den Wänden, die kleinen Musikinstrumente – sie sind die Kulturbanausen, die immer zum nächsten Höhepunkt rennen, um das Schloss systematisch „abzuhaken“.

Dabei gibt es in der herrlichen Palastanlage, die seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, so viel zu entdecken, so viel Historie aufzusaugen! Das Château de Versailles, wie es im Französischen heißt, ist eine der größten Palastanlagen in Europa. Bis zur Französischen Revolution residierten im barocken Prunkschloss, das einmal als Jagdschloss konzipiert war, die Könige Frankreichs. Viele andere Schlösser, darunter Herrenchiemsee in Bayern, sind von Versailles inspiriert. Unter König Ludwig XIV. und Marie-Antoinette wurde Versailles immer herrschaftlicher ausgebaut, sodass es auf dem Machthöhepunkt des Sonnenkönigs und seiner Frau von mehreren tausend Menschen bewohnt war – hier wurde in Frankreich Politik gemacht, hier wurden rauschende Feste gefeiert und hier wurde Geschichte geschrieben. Heute kann man nicht nur das Schloss und von den ehemals 200 Zimmern die Prunkgemächer des Königspaares und ihrer Töchter besichtigen, sondern auch die riesige Gartenanlage und die drei Lustschlösser Grand Trianon, Petit Trianon und Hameau de la Reine besichtigen.

Beeindruckt haben mich besonders die verschiedenen „Wartezimmer“ oder „Empfangszimmer“ für die Menschen, die den König besuchen wollten, und die Zimmer, in denen sich der König nach strengen Abläufen aufhielt! Hier wurde mittags gegessen, dort am Abend, dort zum Nachtmahl, dort wurde geschlafen, dort gespielt, dort musiziert…ein unvorstellbarer Wahnsinn und Luxus zugleich.


Wir hatten einen Extra-Audioguide, der uns alles über die Bälle und glamourösen Speisentafeln berichtete: Nachts trank Marie-Antoinette zum Beispiel einen halben Liter Mandelmilch und aß kaltes Brathähnchen mit Marzipan, während sich der König mit Wachteln, Sahne und Eiscreme beliefern ließ. Und wir machen uns heute Gedanken, ein Stück Schokolade nach 18 Uhr auf dem Sofa zu verputzen…

Verzaubert war ich in jeder Hinsicht vom Spiegelsaal, der Galerie des Glaces. 75 Meter lang, 10 Meter breit und mit 357 Spiegelflächen ausgeschmückt, war dies einmal der Gang zu den königlichen Wohnräumen, war aber auch ein Festsaal für Hochzeiten und Bälle.

Die Sprich-meine-Sprache-oder-gar-nicht-Gereizten

Es ist ein altes Vorurteil, das sich mir in den letzten Paris-Reisen immer wieder bestätigte: Die Franzosen lieben Französisch und sprechen es gerne. Ich hingegen komme über mein Merciund Bonjour kaum hinaus, leider. Dafür spreche ich ziemlich gutes Englisch. Deswegen spreche ich die junge Frau an der Kasse auch fröhlich darauf an, wie ich ein Ticket für die Gartenanlage bekomme, um mich nach dem beeindruckenden Schlossrundgang etwas auszuruhen. Blöd nur, dass wir uns nicht verstehen und ich am Ende ohne Karte dastehe.

Damit euch kein Ticketmalheur passiert, hier einige Infos: Die Gärten sind montags bis sonntags zwischen 8.00 Uhr und 18.00 Uhr zu besuchen, in der Hauptsaison zwischen April und Oktober von 8.00 Uhr bis 20.30 Uhr. Eintrittskarten kosten je nach Alter, Extra-Veranstaltung wie Wasserspiele und Feuerwerk und nach Saison zwischen 7 Euro und 20 Euro.

Das Schloss Versailles ist ganzjährig geöffnet (Hauptsaison: 9.00 Uhr bis 18.30 Uhr, Nebensaison 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr), aber nur von Dienstag bis Sonntag. Tickets solltet ihr euch online besorgen, um gleich zu Eingang A oder B gehen zu können. Wichtig: Jugendliche, die aus der EU kommen und unter 26 Jahren alt sind, können Versailles kostenlos besuchen, brauchen aber ein 00,00 Euro Ticket. Genaue Preise findet ihr auf der Homepage von Schloss Versailles.

Die Ich -liebe-das-Reisen-Touristen

Und dann sind da wir, zwischen diesen ganzen Reisenden, staunen und lieben wir unsere Reise so sehr, dass wir nur noch lachen können, als wir uns auf den Rückweg machen und glücklich sind, so viel Neues von der Welt gesehen zu haben.

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