The grass is always greener on the other side*- 15 Monate Digitales Nomadentum und die Rückkehr -


Wir wissen jetzt: Dieses Arbeiten von unterwegs funktioniert. Internet gibt es inzwischen selbst an den entlegendsten Orten und unsere Kunden haben auch keinen Aufstand geprobt. Nicht mal das Geld ist uns ausgegangen. Warum also gerade jetzt alles hinwerfen?

Der Tag, an dem mir klar wurde, dass es so nicht mehr weitergehen soll, war ein ganz gewöhnlicher Tag. Am Morgen waren wir auf Mauritius gelandet. Wir saßen auf unserem neuen Sofa und blickten aufs Meer. Es war nicht besonders bequem, aber das Wasser vor uns schimmerte türkis und die Palmen bewegten sich sanft im Wind. Mauritius sollte einmal das erste Ziel unserer Reise um die Welt als Digitale Nomaden werden, bevor wir spontan – und um all unsere Freunde zu verwirren – einen Flug nach Martinique buchten. Genau, auf diese andere Insel mit M, die ebenfalls Palmen und Strand und viel Wind hat. Und überhaupt in so vielerlei Hinsicht ganz ähnlich wie Mauritius ist. Aber das wissen wir erst jetzt.

Wir sitzen also auf unserem Sofa und stellen fest, dass dieses neue und vermeintlich „aufregende“ Leben für uns Alltag geworden ist. Aufstehen, arbeiten, Frühstücken, wieder arbeiten, kitesurfen und ab und an auch mal anderweitig sporteln, dann Abend essen … so sehen unsere Tage im Paradies – nein was sage ich – in all diesen Paradiesen nun seit elf Monaten aus.

Findest du den Fehler?

Richtig: Das unbequeme Sofa.

Denn je länger wir unterwegs sind, desto klarer wird uns, was uns wirklich wichtig ist. Unsere Gesundheit beispielsweise, gutes Essen und ein soziales Umfeld. Und Gemütlichkeit, Hygge, wie die Trendbewussten unter uns es so schön nennen. Denn mal ehrlich: Fandest du es jemals in einem Sommerurlaub gemütlich? Eben!

„Guck mal, hier ist es schön, fast wie in Dänemark“, rutscht es uns immer öfter über die Lippen und das an Orten, an denen ihr nie darauf kommen würdet: In Kenia, in der Dominikanischen Republik und eben auf Mauritius. Was wir noch nicht wahrhaben wollen, weiß unser Unterbewusstsein schon längst.

In den traumhaften Wochen, die wir auf einer der schönsten Inseln der Welt mit dem sowieso besten Kitespot der Welt verleben, fällt eine Entscheidung: Wir brechen unsere Zelte ab. Das digitale Nomadenleben nimmt ein Ende und wir ziehen wieder in ein richtiges Haus.

Warum?

  • Ich möchte endlich wieder einen richtigen Schreibtisch haben
  • Und einen Supermarkt mit einer riesigen Auswahl an tollen Lebensmitteln. So ein Luxus!
  • Ich wünsche mir eine gute Matratze
  • Und eine Dusche, aus der warmes Wasser kommt, wann immer ich es möchte
  • Weil ich mir Verlässlichkeit wünsche und Preisschilder an den Waren
  • Weil ich mich nicht mehr verabschieden möchte
  • Weil kein WhatsApp und Skype der Welt den richtigen Kontakt zu Freunden und Familie ersetzen kann
  • Weil immer nur schönes Wetter auf Dauer richtig langweilig ist und die Temperaturen manchmal sowieso zu heiß
  • Weil mir beruflicher Austausch fehlt
  • Und eben: Ein bequemes Sofa

Was übrigens keine Gründe sind (obwohl das viele inklusive mir geglaubt haben)?

  • Weil ich Materielles vermisst habe und endlich wieder Besitz anhäufen möchte. Im Gegenteil!
  • Weil mich die vielen Spinnen, Skorpione, Schlangen, Hunderfüssler und Tierchen, deren Namen ich nicht einmal kenne, gestört haben
  • Weil das Arbeiten von unterwegs nicht funktioniert hat
  • Weil dieses Leben auf Dauer zu teuer wurde
  • Weil ich mit der Armut, die mich ständig umgab, nicht mehr klar kam (siehst du den Widerspruch zum vorigen Punkt?)

Was ich vermissen werde?

  • Meine Yogastunden im Treehouse
  • Die Möglichkeit, direkt vor meinem Zuhause aufs Kiteboard zu steigen
  • Die Kenianer
  • Andere Reisende mit ihren bunten Lebensentwürfen, die mein Weltbild so manches Mal auf den Kopf gestellt haben
  • Die Abwechslung
  • Das Obst
  • Und an manchen Tagen in Norddeutschland sicherlich auch die Temperaturen und die Sonne

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in meinem Wohnzimmer an der dänischen Grenze. Und ja tatsächlich, auf einer richtig bequemen Couch. Blicke auf das grasbewachsene Dach unseres Nachbarhauses und freue mich über die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen, die es in einen saftigen Farbton tauchen. Die Vögel zwitschern und die Luft trägt diesen ganz bestimmten Geruch aus frischem Waldboden und ersten Sommerblümchen.

„Hatschi“ – da ist er wieder, der Heuschnupfen.

The grass is always greener on the other side*

Übrigens!

Dieser Artikel ist in geänderter und wesentlich ausführlicher Form auch in der Zeit erschienen. Du liest ihn, wenn du auf „Mauritius? Nein, ich will nach Hause“ klickst.

Wissenswertes

* The grass is always greener on the other side

Something that you say that means that other people always seem to be in a better situation than you, although they may not be.

(Quelle: Cambridge Dictionary)