Alles für die Aussicht- Berge besteigen in der Bucht von Kotor -


Ich schnaufe. 801, 802, 803…wie viele Stufen geht das denn noch hier hoch? Vor mir bröckelnde Steine, die steile Treppe, rechts und links hohe Felswände. Umdrehen kann ich mich nicht, die Stufen sind zu eng. Vor mir rutscht jemand aus und flucht. Kurz durchatmen, dann geht es weiter. 804, 805, 806…

Ganz oben thront die Spitze der Festung Sveti Ivan über der Bucht von Kotor, der Hafenstadt in Montenegro. In einem Hinterhof der Altstadt am Hafen habe ich den Mann gesehen, der an einem weißen Plastiktisch auf einer umgekippten Wasserkiste saß. Neben ihm ging es steil bergauf, ein Knick, dann nichts mehr.

„Wo geht es denn da hin?“, frage ich ihn.

„Festung“, brummt er. „Kapelle. Kostet 3 Euro.“

„Okay“, sage ich und gebe ihm das Geld, noch unwissend, auf welche Plackerei ich mich eingelassen habe. „Und wie lange brauche ich?“

„Bis ganz oben?“ Er mustert mich von oben bis unten, nickt, als er meine Sportschuhe sieht, offenbar zufrieden. „Stunde.“

Als ob er wüsste, dass mir mein frohes Lachen bei Stufe 999 vergehen wird, grinst er mich an und macht den Weg frei. 

Tiefblaues Wasser der Adria schlängelt sich zwischen steilen Berghängen dahin. Üppiges grün, braune und graue Dächer der Klöster in der Landschaft. Ich fühle mich an einen Fjord aus Norwegen erinnert. Diese Weite, der klare Wind um mich her…das habe ich noch nie gesehen.

Auf halber Strecke in den Berg hinauf entdecke ich eine schöne Kapelle, vor der jemand selbstgemalte Bilder und Wasser verkauft. 

Die Altstadt von Kotor liegt mir zu Füßen, als ich bei Stufe 988 eine kurze Rast einlege und durch eine Lücke in den Festungsmauern schaue. Die Dächer sind rot und spitz, zwischen den Häusern in den engen Gassen hängen Wäscheleinen, schleichen wilde Katzen, rennen Kinder. Ihre fröhlichen Rufe verstehe ich nicht. Ein Blick auf meine Uhr sagt mir, dass ich schon fünfundvierzig Minuten bergauf geklettert bin. Schweiß rinnt mir den Rücken hinab.

Es geht weiter hinauf. Die Festung wurde schon in Zeiten der Antike erbaut, unter der Herrschaft der Venezianer aber zum heutigen Aussichtspunkt ausgebaut. Entlang der Festungsmauer der Altstadt schlängelt sich der Weg hinauf bis zum höchsten Punkt, von dem man damals einen idealen Angriffspunkt auf Feinde hatte. Es sind genau 1.300 Stufen. Der Aufstieg wird mit jedem Schritt mühsamer. Hinter mir hat ein älteres Ehepaar aufgegeben und bleibt neben einem Einheimischen sitzen, der ihnen Getränke verkauft. Als hätte er genau gewusst, dass sie dort sitzen bleiben werden…ich beschließe, dass er ein Verwandter meines Ticketverkäufers ist. 

Und dann ist es so weit: Ich setze meinen letzten Schritt und genieße die wunderschöne Aussicht über die magische Bucht, Sonnenschein im Nacken. Mir verschlägt es die Sprache und ich setze mich, schaue und schaue und möchte nicht mehr gehen. Es ist ruhig hier oben. Auf einem in die Bucht ragenden Ausguck sitzen Jugendliche und picknicken, sorglos lachen sie miteinander. Gerne würde ich verstehen, was sie sich erzählen, hier oben, in dieser wunderschönen Freiheit.

Wissenswertes

Kotor ist eine mediterrane Hafenstadt in Montenegro und liegt am Ende der Bucht von Kotor. 1979 ist Kotor als UNESCO-Weltkulturerbe und auch als Naturerbe eingetragen worden. Die umliegenden Berge sind rund 1.900 Meter hoch und umschließen die Altstadt. Unweit der Bucht befinden sich auch einige Fakultäten der Universität von Montenegro. Gesprochen werden hier Montenegrisch, Serbisch, Kroatisch, Albanisch, Serbokroatisch, Bosnisch und auch etwas Englisch, da viele Touristen diese Region des Landes besuchen.

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