Funicolare, Funicolare- Oder: Wie man kleine Abenteuer erlebt -


Wie sehr verstehe ich Lisa aus „I found myself in Tuscany“ oder Frances aus „Unter der Sonne der Toskana“. Diese Frauen haben in Italien gefunden, was sie gesucht haben, obwohl sie nicht richtig wussten, was es eigentlich war. Sie waren mutig und sind losgezogen, weil sie einer inneren Ahnung gefolgt sind…an einem ganz besonderen Ort in der Toskana habe auch ich erahnt, was jemanden dazu bringt, sich in die Toskana und die Italiener zu verlieben. 

Der Mann hinter dem Tresen spricht kein Wort Englisch, geschweige denn Deutsch. Immer wieder lacht er mich an, fuchtelt mit den Händen, weil mein gebrochenes Italienisch ihn belustigt und ruft strahlend: „Funicolare! Funicolare!“

Feuer? Nein, das kann nicht stimmen. Cola? Auch nicht. Oder Fun? Ja, Spaß möchte ich haben, das ist richtig! Weil wir uns gegenseitig nur noch auslachen, nimmt er mich bei der Hand, zeigt mir eine Karte und deutet in Richtung eines Hügels, der sich im Norden erstreckt. Dazu nickt er mit dem Kopf, deutet auf mich und will mir wohl damit sagen, dass ich dort hinauf laufen soll. Auf der Karte tippt er auf den Namen: Montecatini Alto. Aha! 

Wenn dir ein Italiener auf die Frage, was das Beste an seiner Stadt oder seinem Dorf ist, sagt, dass du auf einen Berg steigst, dann steigst du auf einen Berg. Ohne Diskussion.

Dieser kleine Ort, in dem ich mich mit Sprachschwierigkeiten und geschlossenen Supermärkten herumschlage, heißt Montecatini Terme. Zwischen Florenz und Pisa bin ich aus dem Zug gesprungen, weil ich irgendwo von berühmten Heilbädern und sehenswerten Gewässern gelesen habe. Jetzt hält dieses kleine Örtchen wohl doch ein anderes Abenteuer für mich bereit.

Es gibt keine befestigte Straße, die ich nehmen kann. Neben Lastwagen, Minis und ein paar klapprigen Fiats schleppe ich mich auf der kaputten Straße immer weiter nach oben. Meine Karte hilft mir kaum weiter, ich orientiere mich einfach an den Autos und den Straßenschildern. Es wird immer heißer und ich habe das Gefühl, noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt zu haben. Immer mehr Autos fahren in halsbrecherischem Tempo und mit lautem Hupen an mir vorbei, die Fahrer lachen über meinen kläglichen Versuch, nach oben zu kommen. 

Und plötzlich habe ich es geschafft. Vor mir liegt ein terrakottafarbenes Bergdorf in der untergehenden Sonne. Der Ausblick ist fantastisch: Ich überblicke das ganze Tal bis hin zum Monte Pisano in der Ferne. Eine sanfte Prise weht, es ist noch warm, es duftet verführerisch nach frischem Ciabatta und Pinien. Um mich herum ein Dörfchen, wie ich es mir ausgemalt habe. Es gibt einen Platz mit urigen Cafés, einen Kirchturm, eine kleine Feste samt Turm, ein paar Gärten mit roten, pinken und gelben Blumen. Italiener mit Pfeifen trinken Espresso und spielen Karten, ein paar wilde Katzen räkeln sich auf den Mauern. Hier oben esse ich die beste Pasta mit Tomatensoße, die ich je gekostet habe, lehne mich lange Zeit zurück und wünsche mir, dieses Gefühl mit nach Hause nehmen zu können. Oder einfach nicht mehr gehen zu müssen.

Ich erkunde Montecatini Alto eine Weile, ehe ich urplötzlich stehenbleibe und stutzig werde. Ein Schild, und wieder dieses Wort: Funicolare. Jetzt will ich es wissen. 

Der schmale Pfad führt zu einem Häuschen auf einer Anhöhe, unter der es steil bergab führt. Ich sehe einen kleinen Bergpfad und ein Stahlseil — dann taucht die rote Seilbahn vor mir auf. Ich fange an zu lachen und schlage mir die Hand gegen die Stirn. Der Seilbahnschaffner runzelt die Stirn. Ob alles okay wäre?

„Funicolare?“, frage ich und deute auf die Seilbahn.

„Si, si!“, ruft er und fragt sich sicherlich, ob ich ein wenig schwer von Begriff bin. Er drückt mir einen Prospekt in die Hand, verkauft mir ein Ticket und ich setzte mich strahlend in ein Abteil der Bahn, froh, dass ich mir den Fußmarsch nach unten sparen kann. Die Funicolare di Montecatin ist die älteste Standseilbahn Italiens, die noch fährt. Ich erfahre, dass sogar Giuseppe Verdi zur Eröffnung 1898 anwesend war. Etwas mehr als einen Kilometer geht es mit der Bahn nach unten. Der gewundene Autobahnpfad, den ich auf den Berg genommen habe, hat mich zwei Stunden gekostet, jetzt steige ich nach nur zehn Minuten aus meinem Abteil, strecke mich und lobe mir die Italiener, die genau wissen, was Spaß macht. Und nächstes Mal lerne ich meine Vokabeln, versprochen!

Wissenswertes

Montecatini Terme ist eine kleine Stadt in Italien, die etwa auf halber Strecke zwischen Pisa und Florenz liegt. Der Ort ist bekannt für seine Thermalbäder, einige der berühmtesten und größten Heilbadanstalten Italiens. In über 200 Hotels kann man sich verwöhnen lassen. Die älteste Standseilbahn Italiens verbindet Montecatini Terme mit dem Bergdorf Montecatini Alto. Für ca. 8 Euro kann man hinauf und wieder hinunterfahren - oder zu Fuß gehen.

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