Steine, Steine, Steine – und eine große Lektion- Der Camino Primitivo Etappe 3 – Salas nach Tineo -


Es wird anstrengend. Und steinig. Steine und Matsch sind auf dieser Etappe meine besten Freunde. Ich lerne mehr über Gelassenheit, meine eigenen Grenzen und auch, mich nicht so sehr mit anderen zu vergleichen. Und dann gibt es da noch eine Sauna und ein paar Franzosen zum Ende des Tages.

Der dritte Tag beginnt mit Frösteln, denn als ich morgens gegen 6 aufwache, fühlt sich die Herberge an wie ein einziger großer Kühlraum. Meine Glieder sind kalt und steif, mein Hals kratzig und am liebsten würde ich mich unter meinem selbstgebauten Deckenberg verkriechen. Doch der Camino wartet nicht. Meine beiden „Mitbewohner“ teilen das Leid und so machen wir uns als allererstes an die Kaffeemaschine. Die Russin teilt wortlos ihr zuvor eingekauftes Frühstücksfestmahl – Avocado, Tomaten, Käse und Chorizo Wurst – und wartet in der Herberge, bis wir losgelaufen sind.

Wie schon erzählt ist es eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass man den anderen Pilgern hier nicht auf die Pelle rückt. Um kurz nach 8 laufen wir aus Salas los und Stefan findet am Waldrand ein neues, robustes Stöckchen zum Stützen, das uns noch lange begleiten sollte. Die ersten acht Kilometer sind unglaublich anstrengend, denn es geht über teilweise schmale Wege steil bergauf. Alles woran ich denken kann ist: Steine, Steine, Steine! Überall große lose Steine und es geht immer weiter bergauf. Langsam wird es auch immer kälter. Dann geht es geradeaus auf eine Straße. Endlich, denke ich, bis plötzlich an lautes, zischendes Geräusch an mir vorbei rast und mir fast das Herz stehenbleibt. Ein bunter Rally-Wagen überholt uns mit gefühlten 200 km/h auf der Straße, einen Bürgersteig gibt es hier nicht. Ganz schön gefährlich. Etwas perplex folgen wir vorsichtig dem Straßenverlauf und beten, dass wir nicht von einem Auto erwischt werden.

Im Dorf La Espina machen wir eine kurze Pause und es fängt direkt an zu gießen. Wir flüchten in ein kleines Café, wo wir einige Pilger wiedersehen, die uns auf dem Weg bisher begegnet waren. Auf den nächsten Kilometern kriegen wir immer wieder heftige Regen- und sogar Hagelschauer ab. Viel zu spät fällt uns ein, dass wir doch noch tolle bunte Regen-Ponchos dabei haben, aber es ist schon alles nass, also laufen wir einfach weiter. Kilometerweit führt uns der Primitivo durch matschige Sümpfe – die Füße sind voll, die Beine sind voll, alles ist bedeckt mit Matsch. Als wäre das nicht schon genug, springt mich in einem kleinen Ort auch noch ein Hund an, der – na wer hätte das gedacht – von oben bis unten mit Matsch bedeckt ist. Ärgern tut mich das allerdings nicht mehr so sehr und da merke ich schon, dass ich viel gelassener geworden bin.Endlich kommen wir in der Herberge an und die ist ein echter Traum: Sie liegt direkt neben einem 5-Sterne-Hotel, ist sehr modern und hat sogar eine Sauna. Eine Sauna auf dem Jakobsweg! Das hört man sicher auch nicht alle Tage. Wir sind mit die ersten in der Herberge und trocknen unsere klatschnassen Sachen mit dem Heizstrahler. Nach unserem üblichen Einkauf im Supermarkt um die Ecke setzen wir uns zu einem Franzosen in die Sauna und schnacken ein bisschen. Dabei erzählt er uns von seiner langen Reise, dass er mit seinem Bruder bereits von Sevilla aus bis nach Santiago de Compostela gelaufen ist und sie nun schon wieder auf dem Rückweg sind. Sie laufen den Primitivo also umgekehrt. Insgesamt drei Monate soll die Reise dauern und plötzlich kommen mir unsere drei Wochen ganz schön klein vor. Da kommen wir zu meiner nächsten Lektion auf dem Primitivo: Sich nicht mit anderen vergleichen. Denn man weiß nie, was diese Leute für Hintergründe haben, was für Jobs, wie viel Geld und warum sie überhaupt laufen. Das Schöne ist aber, dass jeder zwar eine andere Geschichte hat und in gewisser Weise auch für sich selbst kämpft, man hier aber trotzdem nie alleine ist.Der Abend geht weiter mit einem viel zu großen Pilgermenü im Restaurant, bei dem wir wieder auf unser älteres Franzosenpaar treffen. Wir lachen uns kurz amüsiert an und dann trennen sich unsere Wege auch schon wieder. Leider ist auch dieses Essen nicht wirklich grandios, sodass wir beschließen, ab jetzt lieber auf Pilgermenüs zu verzichten. Nach einer kurzen Klamottenwasch-Session geht es auch schon ins Bett. Kurz vor dem Einschlafen lasse ich den Tag revue passieren. Für den Primitivo gilt definitiv: Zähne zusammenbeißen oder nach Hause fahren. Egal was für Grenzen man hat, sei es Fitness, Durchhaltevermögen, Dinge, die man nie machen wollte, die kann man hier getrost vergessen.

Kennst du schon meine ersten drei Teile?

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