Auf Tuchfühlung mit den Einheimischen- Fahrt mit dem Guagua -


Eine Fahrt mit dem Guagua in der Dominikanischen Republik ist für sich genommen schon ein Abenteuer. Nirgendwo sonst kommt man den Einheimischen so nahe. Manchmal erwartet einen eine Überraschung. Und übers Leben lernen kann man hier sowieso so einiges.

Schon bevor ich an diesem Tag ins Guagua einsteige, weiß ich, dass es heute mal wieder eng wird. Ein Kopf ragt aus dem Fenster der Beifahrertür heraus und ich erkenne vier Köpfe hinter der Windschutzscheibe. Der Fahrer hupt und bedeutet mir mit seiner Lichthupe, dass er mich trotz der offensichtlichen Überfüllung mitnehmen will. Sein Assistent öffnet die Seitentür und pfeift so laut, dass ich kurz zusammenzucke. So läuft das hier.

Guaguas – alles andere als gefährlich

Guaguas heißen die Sammeltaxis in der Dominikanischen Republik, die, gebaut für acht Mitfahrer aber häufig hemmungslos überfüllt, die großen Orte miteinander verbinden. Für 50 Pesos (umgerechnet einen Euro) kommt man damit von Cabarete bis ins 14 Kilometer entfernte Sosúa, 80 Pesos kostet’s in das weiter entfernte Puerto Plata. Alle paar Minuten düst eines von ihnen die Straße hinauf und weil es keine Haltestellen gibt, winkt man es einfach zu sich heran.

Den meisten Touristen ist diese Form der Fortbewegung suspekt. „Da wird man doch nur ausgeraubt und entführt“, sagen sie und nehmen lieber eines der teuren Taxis, deren Preise von der Mafia bestimmt werden. Mir, so viel kann ich sagen, ist in drei Monaten weder das eine noch das andere passiert. Im Gegenteil. Als häufig einzige Weiße im Taxi waren immer alle sehr freundlich zu mir, fragten interessiert, warum ich in Cabarete lebe und warteten geduldig, wenn mir mit meinen paar Brocken Spanisch mal wieder die Wörter fehlten.

Berührungsängste sollte man lieber nicht haben

An diesem Tag ist das Guagua also mal wieder richtig voll und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich mit dem Rücken in Fahrtrichtung an die Tür zu hocken. Die muss übrigens immer geschlossen sein, so sieht es die Straßenverkehrsordnung vor. Nach einer Weile fangen meine Oberschenkel an zu brennen, aber ich weiß, dass der nächste Halt meist nicht weit entfernt ist und gedulde mich. Ein Passagier unterhält die anderen Fahrgäste auf Spanisch und alle schauen mich an und lachen. Ich lache einfach mit, obwohl ich nur ahnen kann, dass meine eingeklemmte Haltung der Grund für die Belustigung ist.

Als am nächste Halt zwar einer aussteigt, aber ein neuer Fahrgast flink seinen Platz einnimmt, wütet die Meute und veranlasst, dass ich nun sitzen darf. Ich bekomme einen richtigen Platz direkt an der Tür.

Berührungsängste sollte man bei einer Fahrt mit dem Guagua lieber keine haben, denn läuft es gut, bekommt man lediglich ein Kind auf dem Schoß gesetzt. Manchmal ist es aber auch ein übergewichtiger Mann, der einem die Nerven im Oberschenkel abklemmt, während die Knie ohnehin schon eng gepresst an den Vordersitz drücken.

Heute ist einer der Beachboys mit an Bord, hat seinen Sonnenbrillenständer und eine große Dose Erdnussleckereien mit dabei. An anderen Tagen scheinen Passagiere ganze Umzüge mit dem Guagua zu machen, dann stapeln sich riesige Plastiktüten in den Gängen. Und wenn die Sitzreihen schon hoffnungslos überfüllt sind, dann zaubert der Assistent immer noch irgendwo eine Holzplatte hervor, die die Sitzreihe mit dem gegenüberliegenden Einzelsitz verbindet, so dass auch hier einer sitzen kann. Ausgeladen werden wir dann manchmal, wenn vorne gar nichts mehr geht, über den Kofferraum.

Ich kann’s nicht glauben, als der Fahrer nun schon wieder anhält. Eine Frau steht dort, die mitfahren will. Jetzt geht hier gar nichts, denke ich und frage mich, wie der Assistent, der herausspringt, um die Frau hineinzulassen, nun noch in den Bus passen soll. Ganz klar, das geht nicht. Neben mir ist noch ein winziger Schlitz frei, der kleine Tritt, der in den Bus führt. Aber dort passt keiner mehr hin, da bin ich mir sicher.

Überraschung!

Doch schwupps, schon hüpft der Assistent genau auf diese Stelle, schließt die Tür. Und als ich mich noch frage, ob es sich um Zauberei handelt, legt er seine Hüfte auf meinem Oberschenkel ab. In dem ganzen Gewusel ist mir entgangen, dass er nur ein Bein hat, das gerade noch in die verbleibende Lücke passt.

Die Selbstverständlichkeit, mit der all das geschieht, beeindruckt mich und sie spiegelt das, was ich hier so häufig erlebe: Die Menschen haben sich mit ihren Schwierigkeiten, die häufig so viel existenzieller als bei uns im Westen sind, arrangiert. Tod und Krankheit sind allgegenwärtig und die meisten ihrer Schicksale hätten in unserer Heimat mit einer verpflichtenden Krankenversicherung sicherlich verhindert werden können.

Dennoch scheinen viele Einheimische, das gibt mir zu denken, viel zufriedener zu sein, als manch einer bei uns.