Schildkröte Ellie muss ins Krankenhaus- Wie die NGO "Local Ocean Trust" in Watamu gegen das Plastik in unseren Meeren kämpft -


Als Ellie vor einigen Tagen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, steckte ihr Magen voller Müll. Einkaufstüten, Überreste von Flipflops, Teile von Wasserflaschen … – kurz: Plastik in jeder erdenklichen Form waren da zu finden. Im Jahr 2050, so rechnet die UN vor, wird es in unseren Ozeanen mehr Plastik als Fische geben. Ich habe Ostafrikas einziges Rehabilitationszentrum für Schildkröten besucht, in dem die Mitarbeiter täglich alles dafür geben, diesen Trend aufzuhalten.

Jeder Tag, an dem sie auf ihre Hauptattraktion, die Schildkröten, verzichten müssen, ist für die Mitarbeiter des Local Ocean Trust : Watamu Turtle Watch ein guter Tag. Die von ausländischen Spendern finanzierte NGO betreibt das einzige Rehabilitationszentrum für Schildkröten in Ostafrika und zugleich ein lohnenswertes Ausflugsziel für Watamus Touristen.

Mitarbeiterin Ruth nimmt mich heute mit auf eine Führung. Sie erzählt mir, dass die Verschmutzung der Weltmeere nicht die einzige Gefahr ist, die den Tieren droht. Schildkröten gelten in Kenia nach wie vor als Delikatesse. Bis zu 12.000 Schilling (rund 1200 Dollar) zahlen Käufer für große Exemplare, das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Kenianers.

„Den Menschen deshalb einfach zu verbieten, die Tiere zu fangen, bringt gar nichts“, erklärt mir Ruth und auch, dass die Mitarbeiter von Watamu Turtle Watch stattdessen in die Dörfer gehen und den Bewohnern alternative Einkommensquellen vorschlagen.

Eine davon ist, die Schildkröten direkt an die Organisation zu verkaufen. Je nach Größe gibt es 300 bis 1000 Schilling für die Fischer, denen eine Schildkröte ins Netz gegangen ist, und damit natürlich viel weniger als auf dem freien Markt. Da Schildkröten in Kenia aber selten gezielt gejagt werden und meist nur durch Zufall im Netz landen, zeigt das Konzept Erfolg.

Den meisten Tieren, die bei Turtle Watch landen, geht es gut. Sie sind gesund, werden untersucht, gemessen, gewogen und markiert und dann sofort wieder in ihren natürlichen Lebensraum entlassen. Traurig seien darüber nur die kleinen Besucher der Station, erzählt Ruth, die voller Vorfreude auf die Meerestiere kommen und dann manchmal enttäuscht feststellen müssen, dass dort gerade gar keine wohnen.

Schildkröten wie Ellie haben weniger Glück. Manche wurden von einem Angelhaken verletzt, anderen ist eine Schiffsschraube zu nahe gekommen. Bis zu zwölf Tiere können im Local Ocean Trust gleichzeitig behandelt werden, aber das kommt zum Glück sehr selten vor.

An diesem Tag bewohnt nur Ellie eines der Becken unter den schattenspendenden Palmendächern. Im Meer hatte sie Plastiktüten mit Quallen verwechselt und was ein bisschen tollpatschig klingt, ist für Ellie ein riesiges Problem. In ihrem Inneren hat sich so viel unverdauliches Plastik angesammelt, dass sie nicht mehr unter Wasser tauchen kann – für eine Schildkröte und ihren sensiblen Panzer, der immer wieder befeuchtet werden muss – ist dies lebensbedrohlich. Also machen die Mitarbeiter vom Turtle Watch dem Namen der NGO alle Ehre und schippen mehrmals täglich Wasser über Ellies Rücken.

Daran, dass es soweit in Zukunft gar nicht mehr kommt, arbeitet die Region emsig. Als eines der ersten Länder weltweit hat Kenia 2017 die Herstellung und Einfuhr von Plastiktüten per Gesetz verboten. Wer mit einer solchen erwischt wird, zahlt bis zu 32.000 Euro Strafe oder wird mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft. Auch Verbote für Strohhalme und Plastikflaschen werden bereits heiß diskutiert.

In Watamu führt außerdem die Watamu Marine Association seit 2009 regelmäßige „Beach Clean-ups“ durch. Über 20 kenianische Frauen und Jugendliche sammeln zwei Mal in der Woche den angeschwemmten Müll an den Stränden vor Watamu und bringen ihn in eine eigens gegründete kommunale Recyclingstation. Hier wird er nach Material und Farbe getrennt und gewinnbringend als Rohstoff an Industrien in die nahegelegene kenianische Großstadt Mombasa verkauft. Der meiste Müll am Strand stammt übrigens gar nicht aus Kenia selbst, sondern wird viele Kilometer aus den Golfstaaten, Indien, Malaysia und Thailand angespült.

Zum Abschied sagt Ruth mir, das Beste, was ihr passieren könne, sei, wenn ihre Arbeit irgendwann einfach nicht mehr notwendig wäre. Doch bis dahin, das ist traurige Realität, ist es noch ein weiter Weg. Wenige Tage nach meinem Besuch im Local Ocean Trust: Watamu Turtle Watch ist Meeresschildkröte Ellie verstorben. Das Plastik, das zuhauf in unseren Weltmeeren schwimmt, hat sie getötet.

Wissenswertes

Natürlich könnt auch ihr die NGO Local Ocean Trust: Watamu Turtle Watch besuchen. Die Station ist dienstags bis samstags von 9 – 12 Uhr und montags bis freitags von 14:30 bis 16 Uhr geöffnet. 500 Schilling spendet ihr als Eintritt.

Falls ihr gerade nicht in Kenia seid und trotzdem spenden wollt, könnt ihr das unter dieser Adresse machen: http://www.watamuturtles.com/index.php/how-to-help/donations

Oder ihr adoptiert einfach eine Schildkröte, auch das ist unter folgendem Link möglich: http://www.watamuturtles.com/index.php/how-to-help/adoptions

Ihr seid auf der Suche nach einem Freiwilligenprogramm? Local Ocean Trust: Watamu Turtle Watch beschäftigt laufend Volunteers aus der ganzen Welt!